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Sechs neue Stolpersteine in München am Ägyptischen Museum
Stolpersteine im Boden zeigen an: Hier lebten Opfer des NS Regimes. Vor und im Ägyptischen Museum in München werden nun sechs neue Steine verlegt. Sie sollen an die dunkle Vorgeschichte dieses Ortes erinnern.
Fritz Heinrich Hermann war Hutfabrikant und lebte in der Arcisstraße 28 in München, bis er 1934 aus seinem Haus vertrieben wurde. In der Nähe des “braunen Hauses”, der Parteizentrale der NSDAP sollten keine Juden leben. Außerdem planten die Nazis auf dem Gelände gegenüber der Alten Pinakothek ein riesiges Kanzleigebäude. Hierfür wurde das ganze Areal enteignet und die Bürgerhäuser abgerissen, so auch das, in dem Fritz Heinrich Hermann lebte, sagt Terry Swartzberg vom Verein Stolpersteine München: “Sie wurden in einer Nacht- und Nebelaktion vertrieben und sie hatten ein paar Stunden, um eine neue Bleibe zu suchen.” 1941 wurden Fritz Heinrich Hermann und seine Frau Rosa Krochmal von den Nationalsozialisten nach Kaunas in Litauen verschleppt, wo sie zusammen mit knapp 1.000 anderen Juden aus München ermordet wurden.
Stolpersteine sind das größte Gedenkprojekt der Welt
Ernst Darmstaedter lebte im gleichen Haus wie Hermann, dort wo heute das Ägyptische Museum steht. Das von den Nazis geplante Kanzleigebäude wurde nie fertig gestellt. Es entstanden lediglich Stahlbetonwände für die Bunkeranlagen, die beim Bau des 2013 eröffneten Museums gesprengt wurden. Darmstaedter zog nach seiner Vertreibung aus der Arcisstraße nach Stockdorf bei Gauting, wo er sich kurz nach der Reichspogromnacht im November 1938 das Leben nahm.
Dass zu seinem Gedenken jetzt ein Stolperstein im Münchner Museumsviertel verlegt wird und nicht in Stockdorf, hängt damit zusammen, dass die goldenen Gedenktafeln immer am letzten frei gewählten Wohnort der von den Nazis verfolgten, vertriebenen und ermordeten Menschen liegen, erklärt Terry Swartzberg: „Es gibt 80.000 Stolpersteine in 26 Ländern, 1.600 Städten. Jeder Stolperstein gedenkt eines Opfers des Holocausts, sei er oder sie Jude, oder Sinti und Roma, oder homosexuell, da gab es 200.000 Opfer, Euthanasie: 400.000 Opfer. Die Stolpersteine bilden das größte Gedenkprojekt der Welt.”
In München gibt es Kritik an den Stolpersteinen
Trotzdem liegen in der bayerischen Hauptstadt, wo vor der sogenannten Machtergreifung der Nazis 12.000 jüdische Bürger lebten, vergleichsweise wenig Stolpersteine: Bisher sind es 111, ab dieser Woche werden es 117 sein, mit den sechs neuen Steinen, die neben und im Ägyptischen Museum verlegt werden. Stolpersteine sind in München umstritten und ein Stadtratsbeschluss verhindert deren Verlegung auf städtischem Grund. Das Gedenken an die Opfer werde mit Füßen getreten, so die Kritik unter anderem aus der Israelitischen Kultusgemeinde. Doch Sylvia Schoske, Direktorin des Ägyptischen Museums ist anderer Meinung: “Die Kritikpunkte heißen ja, dann tritt man die Erinnerung in den Boden. Wir sind Archäologen, wir pflegen sehr aufmerksam nach unten zu schauen. Und es ist noch eine andere Sache: Wenn man diese Steine lesen will, dann muss man sich ein klein wenig beugen, man muss sich verbeugen, und das ist ja eigentlich die Haltung des Gedenkens.”
Sylvia Schoske ist froh über die sechs Gedenksteine die auf die Vorgeschichte des heutigen Museums aufmerksam machen, so auch Terry Swartzberg vom Verein Stolpersteine: “Das ist eine so eine schöne Rückkehr nach vielen Jahren, dass die Opfer in ihre Häuser, aus denen die Nazis sie vertrieben haben, zurückkehren.”