Heute – 19. März 2021 – werden weitere 40 Stolpersteine sowie eine Stolperschwelle in Würzburg verlegt. Damit erhöht sich die Anzahl von Stolpersteinen auf 650 – “so viel wie in keiner anderen bayerischen Stadt” betont Dr. Schuster. Es ist dank seiner langjährigen Unterstützung der Stolpersteine, daß Würzburg so viele Gedenksteine liegen – und daß die Stolpersteine nun in 1200 Städten und Gemeinden in Deutschland zu finden sind.
Anbei seine historische Rede dazu:
Wo ab 1885 das Jüdische Krankenhaus und ab 1892 das „Pfründnerhaus“, ein Altenheim für 32 alte Menschen, stand, werden ab morgen 40 neue Stolpersteine und eine Stolperschwelle für ehemalige Würzburger Bürger und Nachbarn verlegt. Damit liegen in Würzburg so viele Gedenksteine wie in keiner anderen bayerischen Stadt.
Aber die Anzahl der kleinen Messingplatten sagt nichts über das Schicksal der dort genannten Menschen: es ist der einzelne Stolperstein, der Auskunft über jeden einzelnen früheren Nachbarn gibt, der in diesem Haus, in diesem Jüdischen Krankenhaus, in diesem jüdischen Altersheim lebte und von dort in den Tod deportiert wurde.
Die Nazis ermordeten die ehemaligen Bewohner, die in den Gebäuden Ecke Dürerstraße/Konradstraße lebten, in Theresienstadt, in Treblinka, bei Lublin, in Auschwitz, in Riga. Das Jüdische Krankenhaus diente den Nazis am Ende zur Sammelunterkunft, in der die zusammengepferchten Menschen auf ihre Deportation in den Tod warten mussten.
Zum Kunstprojekt Stolpersteine gehört die Recherche, die der Verlegung jeden einzelnen Steines vorausgeht. Das macht der Künstler Gunter Demnig den Menschen zum Glück nicht bequem und erledigt das für sie.
Denn bis ein neuer Stein verlegt werden kann, bedarf es einer umfassenden Recherche. Wer einen Stolperstein verlegen möchte, wird Pate und muss nun selbst nachforschen: Wer wohnte in diesem Haus? Wohin wurden diese Menschen verschleppt? Wie und wo
wurden sie ermordet? Gibt es noch Angehörige?
wurden sie ermordet? Gibt es noch Angehörige?
Durch diese Recherche findet eine Auseinandersetzung mit der NS-Zeit statt, wie sie intensiver kaum vorstellbar ist. Es ist eine Form des Gedenkens, die unmittelbar und sehr persönlich ist. Der „verschwundene Nachbar“, die „verschwundene Nachbarin“, ihr Leben und ihr Tod berühren den Nachforschenden unmittelbar.
Passanten, die die Inschrift auf einem Stolperstein lesen möchten, müssen sich herunterbeugen und verbeugen sich damit vor dem Menschen, der ehemals hier wohnte und verfolgt, entrechtet und in den Tod getrieben wurde, aus einem einzigen Grund: weil er Jude, weil sie Jüdin war.
In diesem Jahr 2021 erinnern wir uns daran, dass jüdisches Leben in Deutschland vor 1 700 Jahren erstmals aktenkundig wurde durch einen Erlass des römischen Kaisers Konstantin, der 321 n.d.Z. den Juden von Köln öffentliche Ämter gestattete.
Die Nationalsozialisten bemühten sich, dieses jüdische Leben in Deutschland und in Europa innerhalb von 12 Jahren zu vernichten. Sie ermordeten sechs Millionen Juden – unter ihnen die 40 Menschen, deren Gedenksteine wir morgen verlegen werden.
In den vergangenen dreißig Jahren haben mehr als 100 000 Juden in Deutschland eine Heimat gefunden. Das jüdische Leben in unseren Gemeinden ist lebendig und vielfältig. Und dennoch müssen unsere Synagogen, Schulen und Einrichtungen von der Polizei geschützt werden. Denn der Antisemitismus hat ein Ausmaß angenommen, das die wenigen Überlebenden der Shoah, die die jüdischen Gemeinden in Deutschland nach 1945 wieder gründeten, niemals erwartet hätten.
Ich bin sehr froh, dass die Mehrheit der Gesellschaft jede Form des Antisemitismus in Wort und Tat vehement ablehnt und bekämpft. Das Erinnern an die verfolgten und ermordeten Nachbarn und Bürger der gleichen Stadt hat deshalb für uns alle eine große Bedeutung.
Die Verlegung der Stolpersteine ist eines von vielen Zeichen für ein gemeinsames Erinnern und Gedenken.
