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    „Das ist kein verordnetes Erinnern“

    Terry Swartzberg, der neue Vorsitzende, über die Ziele der Münchner „Stolpersteine“ – Initiative

    München – Sie hat einen langen Atem, der Ausgang ihres Engagements ist ungewiss. Die Initiative „Stolpersteine für München e.V.“ bemüht sich seit 2004 um die Verlegung von Gedenkplatten auf öffentlichem Grund für Opfer des Naziregimes. Der Stadtrat hat sich gegen die europaweite Aktion des Künstlers Gunter Demnig ausgesprochen, der bisher in 580 Städten und Gemeinden gravierte „Stolpersteine“ aus Messing als Erinnerungsmale für ermordete Juden und andere während der Nazizeit Verfolgte verlegte. Anfang des Jahres hat die Initiative einen neuen Vorsitzenden gewählt. Ein Gespräch mit Terry Swartzberg, 57, Publizist und Vater zweier Kinder.

    Wie haben Sie von den Stolpersteinen erfahren?

    Er muss Ende der neunziger Jahre gewesen sein, als ich das erste Mal von der Aktion hörte. Ich fand sie interessant und habe dann in Berlin, wo ich meinen besten Freund besuchte, die ersten Stolpersteine gesehen. Das Thema Shoah bewegt mich. Ich bin Jude und kam vor 30 Jahren aus den USA nach Deutschland. Und die Begegnung mit Stolpersteinen, die einen so plötzlich und unmittelbar auf der Straße mit der Geschichte konfrontieren, mit den Opfern, die es an diesem Ort gab, fand ich berührend. Durch meine Arbeit in der liberalen Gemeinde Beth Shalom erfuhr ich von der speziellen Situation in München und habe den Vorsitz der Initiative übernommen.

    Stehen Sie in München denn nicht auf verlorenem Posten? Der Stadtrat hat sich gegen Stolpersteine ausgesprochen, auch die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde, Charlotte Knobloch, ist nicht dafür.

    Auf verlorenem Posten stehen wir nicht, ganz im Gegenteil. Ich fühle mich als Teil einer großen Denkmal-Bewegung, die viele junge Leute begeistert. Ständig gibt es neue Nachrichten über Stolpersteine in Deutschland, Österreich, Ungarn, Italien. Die Aktion wurde vielfach ausgezeichnet, mittlerweile gibt es 28 000 Steine in ganz Europa. Was mir am besten gefällt: Die Bewegung geht von den Menschen aus, von den Paten, die für ein individuelles Opfer den Gedenkstein spenden. Das ist kein öffentlich verordnetes Erinnern. In München sind 150 Steine gestiftet. Und die aktiven Mitglieder unserer Initiative empfinde ich als eine Art Familie interessanter Menschen, die sich aus den unterschiedlichsten Gründen engagieren. Weil sie einen Shoah-Hintergrund haben, weil ihre Eltern Nazis waren, weil sie sich für alternative Formen des Gedenkens interessieren. Und wir sind alle hoffnungsvoll.

    Worauf begründet sich diese Hoffnung? Gibt es Signale, dass Stadtrat oder Kultusgemeinde ihre Haltung ändern?

    Der Bezirksauschuss Schwabing-Freimann hat sich für Stolpersteine ausgesprochen, dasselbe gilt für den Bezirksausschuss Schwanthalerhöhe. Die Basis der Münchner SPD ist für die Verlegung und hat das auf dem Parteitag im vergangenen Mai beschlossen. Auch von den Grünen kommt Zustimmung. Das sind Entwicklungen, die uns freuen.

    Wollen Sie das Gespräch mit Charlotte Knobloch suchen? Ihr Argument ist, durch Stolpersteine würden die Opfer mit Füßen getreten.

    Wenn sich die Gelegenheit zum Gespräch ergibt – von uns aus gerne. Wir haben Verständnis für die Argumente von Frau Knobloch. Sie hat sie mit einigem Pathos vorgetragen, ihr Wort hat Gewicht in München und das ist gut so. Inhaltlich muss ich aber sagen: So kann nur an einem Ort argumentiert werden, der keine Stolpersteine hat – die Erfahrung anderer Großstädte ergeben ein ganz anderes Bild. Wir wollen aber keine Konfrontation. Wir werden beharrlich, friedlich und freundlich weiterarbeiten.

    Gibt es konkrete Vorhaben?

    Ja, die virtuellen Stolpersteine. Auf einem Stadtplan sollen sich die Münchner im Internet über die Geschichte ihres Viertels, ihrer Straße informieren können, über die Holocaust-Opfer, die dort lebten. Durch eine entsprechende Anwendung kann man virtuelle Stolpersteine setzen oder einfach nur Kontakt mit uns aufnehmen. Mit diesem Projekt wollen wir nicht den Druck erhöhen, sondern das Interesse.

    Interview: Anne Goebel

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