Dr. phil. Elisabeth Kohn

Dr. phil. Elisabeth Kohn
* 10.06.1866 in München, deportiert am 20.11.1941
ermordet in Kaunas am 25.11.1941

Loristraße 7, München
Stolperstein verlegt am 20.11.2021

Biografie

Dr. phil. Elisabeth Kohn
* 11.2.1902 in München
deportiert am 20.11.1941 nach Kaunas
ermordet am 25.11..1941 in Kaunas
Stolperstein verlegt am 20.11.2021

Elisabeth Kohn war eine der ersten Rechtsanwältinnen Bayerns und eine der ersten Frauen, die promovierte.

Elisabeth Kohn kam am 11. Februar 1902 in der Elvirastraße in Neuhausen zur Welt. Zwei Jahre später wurde ihre Schwester Marie Luise geboren. Im April 1914 verlegten ihre Eltern Olga und Heinrich Kohn, Inhaber der „Getreide- und Futtermittelgroßhandlung Otto Engl“, ihren Wohnsitz in die Loristraße 7.

Den Elementarunterricht der ersten Schuljahre besuchte sie ab 1912 das Luisengymnasium, wo sie 1921 das Abitur ablegte. Während Marie Luise ein Kunststudium anstrebte, entschied sie sichfür ein Studium der Rechtswissenschaften.

Elisabeth Kohns Interessen gingen weit über das Jurastudium hinaus, das zeigt die Auswahl der Studienfächer Philosophie, Psychologie, Pädagogik und Kunstgeschichte. Im Anatomischen Institut hörte sie Vorlesungen bei Adele Hartmann, der ersten habilitierten Ärztin Deutschlands. Wie schwierig eine Promotion für Frauen war, erlebte sie selbst: Als sie am 24. Juli 1924 promovierte, durfte sie dies nicht in der Juristischen Fakultät, sondern musste auf die Philosophische Fakultät ausweichen.

Vier Jahre später erhielt sie die Zulassungen zu den Münchner Landgerichten und trat in die Kanzlei „Dr. Hirschberg, Dr. Löwenfeld, Dr. Regensteiner“ ein, deren Schwerpunkt auf politischen Strafprozessen lag. Elisabeth Kohn war vielfach engagiert: Sie setzte sich für die Belange der SPD und des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes ein, sie war Mitglied der Deutschen Liga für Menschenrechte und der politischen Hilfsorganisation Rote Hilfe, zeitweilig arbeitete sie bei der sozialdemokratischen Tageszeitung „Münchener Post“ mit.

Schon vor der Machtübernahme waren jüdische Juristen Diffamierungen ausgesetzt. 1932 veröffentliche die NSDAP-Zeitschrift „Illustrierter Beobachter“ in einem Artikel über die angebliche „Verjudung des Anwaltsstandes“ beispielhaft das Namensschild der Praxis, mit dem mittlerweile hinzugefügten Namen Elisabeth Kohn – eine unverhohlene Drohung.

Am 9. März 1933 übernahmen die Nationalsozialisten auch in München die Macht und gingen sofort offensiv gegen ihre Gegner vor. In den frühen Morgenstunden des 10. März verhaftete die Gestapo Max Hirschberg. Philipp Löwenfeld konnte in letzter Minute fliehen. Trotz eigener Zukunftssorgen kämpfte die 31-jährige Elisabeth Kohn gemeinsam mit Hirschbergs Frau Betty um seine Entlassung aus dem Corneliusgefängnis, was nach mehr als fünf Monaten schließlich gelang.

Im August 1933 entzog das Justizministerium Elisabeth Kohn die Zulassung. Ihr Einspruch, sie müsse ihre Schwester unterstützen und ihr Vater sei schwerkrank, wurde mit der zynischen Bemerkung, sie sei „jung und ledig“ und könne „in irgendeinem Frauenberuf unterkommen“, abgelehnt.

Sie fand schließlich Arbeit in der Fürsorgeabteilung der Israelitischen Kultusgemeinde, zusätzlich hielt sie für die Zionistische Ortsgruppe Vorbereitungskurse zur Emigration nach Palästina. Erst 1940 konnte sie wieder in ihrem Beruf arbeiten. In dieser Zeit war die Hauptaufgabe der Kanzlei von Dr. Julius Baer, Menschen zur Flucht aus Deutschland zu verhelfen.

Im August 1939 musste die Familie ihr gewohntes Zuhause zu verlassen und in die Frundsbergstraße 8, ein „Judenhaus“, umzuziehen. Zwei Jahre konnten sie dort wohnen, danach folgten mehrmalige Wechsel ihrer Unterkünfte.

Elisabeth und Marie Luise Kohn hatten die Entscheidung zur Emigration lange hinausgezögert, weil sie die Mutter nicht allein zurücklassen wollten. Vermutlich um den Jahreswechsel 1940/1941 bat Elisabeth Kohn ihren in die USA emigrierten Kollegen Max Hirschberg um Hilfe. Sie wusste, wie schwierig es für Hirschberg war, die Gelder für Bürgschaft und das Landegeld auf Kuba zu beschaffen. „… Wenn nur Einer fahren kann, dann bitte, Ali [Marie Luise], schrieb sie ihm im Februar 1941, und halbes Jahr später: „…Niemand kann ermessen, was uns noch bevorsteht. … Ich bin überzeugt, dass für uns das Ende nach unten noch nicht erreicht ist…“.

Ihr letzter Brief datiert vom 10. November 1941: „… Am Samstagnachmittag habe ich Weisung bekommen, mit Mutter und Schwester ab Dienstag fahrbereit zu sein. … Was aus uns werden wird, wer kann es ahnen. … Ob ich mit Euch Verbindung halten kann, bezweifle ich sehr. … Meine Hoffnung auf ein Wiedersehen mit Euch gebe ich nicht auf. Man wird leben und wird versuchen, zu überleben. Seid alle herzlichst umarmt und geküsst. Immer Eure Lisel.“

In New York versuchten Max Hirschberg und weitere Kollegen bis zuletzt, ihnen zu helfen. Als die Gelder endlich zur Verfügung standen, war es zu spät. Am 23. Oktober 1941 hatte das NS-Regime ein Emigrationsverbot erlassen.

Am 20. November 1941 wurde Elisabeth Kohn mit ihrer Mutter Olga und ihrer Schwester Marie Luise Kohn nach Kaunas deportiert in Litauen deportiert und dort am 25. November von einem SS-Sonderkommando erschossen.

Im Stadtteil Schwabing-West, im Ackermannbogen, erinnert die Elisabeth-Kohn-Mittelschule und in der Elisabeth-Kohn-Straße an die mutige und engagierte Rechtsanwältin.

(recherchiert und geschrieben von Ingrid Reuther)