Emil Oestreicher
Emil Oestreicher
* 16.11.1885 in München, deportiert am 15.07.1942
ermordet in Treblinka
Türkenstraße 26, München
Stolperstein verlegt am 12.11.2018
Biografie
Emil Oestreicher
* 18.12.1873 in München deportiert am 15.07.1942
ermordet in Treblinka
Türkenstraße 26
Stolperstein verlegt am 12.11.2018
Emil Oestreicher kommt am 18. Dezember 1873 in München als zweitältester Sohn von Amson Oestreicher, Landesproduktenhändler in München, und Johanna Oestreicher, geb. Levinger, zur Welt. Nach dem Besuch der Volksschule zieht er 1893 nach Frankfurt am Main. 1899 bis 1904 arbeitet er als Kürschnergehilfe in Zürich, 1904 bis 1914 in Paris. 1916 nimmt er am Ersten Weltkrieg teil. Ab 22. Oktober 1922 wohnt Emil Oestreicher wieder in München, in der Türkenstraße 26 / II. Er ist als Kürschner bei Salomon Gidalewitsch in der Sonnenstraße 27 beschäftigt. (1)
Vom 10. bis 20. November 1938, nach der Pogromnacht, sperren ihn die Nazis im KZ Dachau ein. Seine Häftlingsnummer ist 20050. (2) Am 10. Oktober 1940 muss er in die Herzogstraße 65/0 umziehen, am 25. August 1941 ins Barackenlager Knorrstraße. Vom 10. November bis 3. Dezember 1941 lebt er im Internierungslager Clemens-August-Straße 9, danach bis zu seiner Deportation wieder im Barackenlager Knorrstraße.
Am 16. Juli 1942 wird Emil Oestreicher mit dem Transport II / 15 von München nach Theresienstadt deportiert. (3) Das war einer von 24 Transporten zu je 50 Personen, mit denen von Juni bis August 1942 etwa 1200 Juden aus München und Schwaben nach Theresienstadt verschleppt wurden. Die Betroffenen wurden in Omnibussen und Möbelwagen an den Hauptbahnhof oder den Güterbahnhof in Laim gebracht, wo sie in einen Personenwagen dritter Klasse steigen mussten, der an einen regulären Zug angehängt wurde.
Im hoffnungslos überfüllten Ghetto Theresienstadt bleibt Emil Oestreicher gut zwei Monate. Ob er seinen Bruder Heinrich wiedersieht, der eine Woche nach ihm nach Theresienstadt deportiert wird? Wir wissen es nicht. Im September 1942 erreicht die Einwohnerzahl dort ihren höchsten Stand: 53.000 Menschen auf einer Fläche von 115.000 Quadratmetern. Vor dem Krieg lebten 7.000 Menschen in dem Städtchen, das die Nazis im Juni 1942 zum Ghetto gemacht hatten. Am 19. Sep-tember 1942 wird Emil Oestreicher mit dem Transport Bo mit über 2000 Leidensgenossen nach Treblinka deportiert und ermordet. Transport Bo ist der erste von elf ”Altentransporten” aus Theresienstadt, die nur drei von 19.004 Menschen überleben.
Emil Oestreicher war nicht verheiratet. Er hatte vier Geschwister: Heinrich Oestreicher, geb. 12. Mai 1868 in München, Kaufmann, wurde am 22. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert und dort am 15. März 1943 ermordet. Vor seinem letzten frei gewählten Wohnort, der Viktor-Scheffel-Str. 19 in Schwabing, erinnert der erste in München dauerhaft verlegte Stolperstein an sein Schicksal.
Arthur Oestreicher, geboren am 22. April 1876, starb bereits am 28. Oktober 1929. Wilhelm Oestreicher, geboren am 11. Oktober 1877, war kaufmännischer Angestellter und heiratete am 17. August 1911 in München die Nichtjüdin Mathilde Reindl aus Lenggries. Diese ”Mischehe” war der Grund dafür, dass er – trotz seines Aufenthaltes in den verschiedenen Massenunterkünften und Internierungslagern – die gesamte Nazizeit in München überleben konnte. Er starb am 7. Januar 1954 in München.
Über das Schicksal von Betty Oestreicher, geb. 31. August 1885 in München, ist mir nichts bekannt. Emil Oestreicher war ein Neffe meiner Urgroßmutter Amalie Walter geb. Oestreicher. Die Familie Oestreicher stammt aus Oettingen im Ries. Die Leiterin des dortigen Heimatmuseums, Frau Dr. Petra Ostenrieder, hat die Geschichte der jüdischen Familien Oettingens in jahrelanger Arbeit er-forscht. Das hat meine Recherchen im Sommer 2007 sehr erleichtert. Eine Geburtsanzeige meiner Urgroßmutter ist sogar in einer Vitrine ausgestellt, einige Dokumente über Emils Vater Amson Oestreicher finden sich in großen Folianten.
Seit 2007 erforsche ich meine Familiengeschichte. Meine Mutter stammt aus einer Münchner jüdischen Familie, die auf Grund früher antisemitischer Hetze 1929 München und 1934 Deutschland verlassen hatte