Marie Luise Kohn

Marie Luise Kohn
* 18.09.1878 in München, deportiert am 20.11.1941
ermordet in Kaunas am 25.11.1941

Loristraße 7, München
Stolperstein verlegt am 20.11.2021

Biografie

Marie Luise Kohn
* 25.1.1904 in München
deportiert am 20.11.1941 nach Kaunas
ermordet am 25.11.1941 in Kaunas
Stolperstein verlegt am 20.11.2021

Lange Zeit war die vielseitige Künstlerin vergessen. Erst seit etwa zwanzig Jahren ist Marie Luise Kohn einem immer noch relativ kleinen Publikum unter dem Künstlernamen Maria Luiko bekannt.

Marie Luise Kohn kam am 25. Januar 1904 zur Welt, zwei Jahre nach der Geburt ihrer Schwester Elisabeth. Im April 1914 verlegten ihre Eltern Olga und Heinrich Kohn, Inhaber der „Getreide- und Futtermittelgroßhandlung Otto Engl“, ihren Wohnsitz von der Elvirastraße in die Loristraße 7. Marie Luise Kohn besaß künstlerisches Talent. Anders als ihre Schwester, die promovierte und Rechtsanwältin wurde, entschied sie sich nach dem Besuch des Luisengymnasiums für ein Kunststudium. Dem Rat ihrer Eltern folgend ließ sie sich zunächst als Kindergärtnerin ausbilden. Nach dem erfolgreichen Abschluss 1922 war sie berechtigte, eine Anstellung im städtischen Dienst anzutreten.

Doch Marie Luise Kohn hatte schon während dieser Ausbildung Kurse in Moritz Heymanns „Schule für zeichnende Künste und Malerei“ besucht. Im Wintersemester 1923/24 schrieb sie sich in der Akademie der Bildenden Künste ein. Acht Semester studierte sie Malerei, Grafik, Radieren und Zeichnen. In der Kunstgewerbeschule belegte sie einige Semester in der Theaterklasse von Emil Preetorius, einem der damals erfolgreichsten Bühnenbildner.

1924 stellte sie erstmals mit ihrem Künstlernamen „Maria Luiko“ drei Scherenschnitte im Glaspalast im Alten Botanischen Garten aus. Bis 1931 war sie dort jährlich unter anderem mit Zeichnungen, Aquarellen und Holzschnitten vertreten.

Das Interesse des Münchner Kunstmarktes zu gewinnen war für junge Künstler schwierig. Chancen, sich der Öffentlichkeit zu präsentieren, bot die Künstlervereinigung „Die Juryfreien“. Als eine der wenigen Frauen trat Marie Luise Kohn 1927 den Juryfreien bei. 1930 war die 26-Jährige die einzige Frau unter den Juroren, die die Künstler für die Ausstellungen der Juryfreien im Glaspalast auswählten und bewerteten.

1933 zerstörten die Nationalsozialisten die Karrierechancen der jungen Künstlerin. Im September verwehrten sie jüdischen Künstlern die Mitgliedschaft im Reichsverband bildender Künstler, damit verbunden war ein Ausstellungsverbot. Mit der Etablierung des „Jüdischen Kulturbundes in Bayern“ hatte sie die Möglichkeit, weiterhin an Ausstellungen teilzunehmen, wenn auch für ein ausschließlich jüdisches Publikum.

Der Kulturbund bot ihr auch die Möglichkeit, gemeinsam mit ihrem Freundeskreis das „Münchner Marionettentheater Jüdischer Künstler“ zu gründen. Die Marionetten entwarf und fertige sie selbst. Die Bayerisch Israelitische Gemeindezeitung kündigte die erste Vorstellung an: „Theateraufführung Marionettentheater am 30.1.35. Die Bühne ist von Maler Ernst und Malerin Luiko hergestellt.“ Die Zahl der Aufführungen lässt sich nicht mehr feststellen. Die letzten beiden Vorstellungen fanden im März 1937 im Turnsaal des Jüdischen Turn- und Sportvereins an der Plinganserstraße statt. Aus Platzgründen probte die Theatergruppe probten oft nachts in Marie Luise Kohns Atelier in der Blutenburgstraße. Im März 1936 denunzierten sie zwei Nachbarinnen wegen des Verdachts auf politische Zusammenkünfte. Sie konnte diese Unterstellung zwar ausräumen und die Polizei verfolgte den Fall nicht weiter, aber ein Schock blieb trotzdem zurück.

Bei der Reichsausstellung Jüdischer Künstler, die vom 26. April bis 7. Juni 1936 im Jüdischen Museum Berlin stattfanden, erlebte sie einen schönen Erfolg: Die Jury ernannte Maria Luiko, Rudolf Ernst und Elisabeth Springer zu Repräsentanten bayerisch-jüdischer Künstler. Letztmals stellte Maria Luiko im Frühjahr 1937 in Berlin aus. Danach arbeitete sie als Hilfsbibliothekarin in der Bibliothek der Kultusgemeinde und zusätzlich ehrenamtlich als Handwerks- und Zeichenlehrerin an der Jüdischen Volksschule.

Elisabeth und Marie Luise Kohn hatten die Entscheidung zur Emigration lange hinausgezögert, weil sie die Mutter nicht allein zurücklassen wollten. Im Juni 1939 schrieb sie an ihren nach Palästina emigrierten Freund Schalom Ben-Chorin: „… Ich bedauere wirklich, dass wir gar so lange gehofft haben, doch noch einen Weg nach Palästina zu finden. Wir haben viel wichtige Zeit darüber ungenützt verstreichen lassen. Nun bleibt nur mehr der Weg als Dienstmädchen nach England…“. Seit einem Jahr habe sie nichts mehr gemalt, doch am meisten schmerzte der Verlust der Freunde: „Alle, aber auch alle unsere wirklichen Freunde sind weg.“

Im August 1939 war die Familie gezwungen, ihr gewohntes Zuhause zu verlassen und in die Frundsbergstraße 8, ein „Judenhaus“, umzuziehen. Zwei Jahre konnten sie dort wohnen, danach folgten mehrmalige Wechsel ihrer Unterkünfte.

Vermutlich um den Jahreswechsel 1940/1941 hatte Elisabeth Kohn ihren in die USA emigrierten Kollegen Max Hirschberg um Hilfe gebeten. Hirschberg und weitere Anwaltskollegen versuchten bis zuletzt, die Gelder für Bürgschaft und Landegeld in Kuba zu beschaffen. Doch es war zu spät – zum 23. Oktober 1941 erließ das NS-Regime ein Emigrationsverbot.

Am 20. November 1941 wurde Marie Luise Kohn mit ihrer Mutter Olga und ihrer Schwester Elisabeth nach Kaunas in Litauen deportiert und am 25. November von einem SS-Sonderkommando erschossen.

Eine Vielzahl von Maria Luikos Werken bewahrt das Jüdischen Museum München auf. Etwa fünfzig der von ihr gefertigten Marionetten befinden sich im Münchner Stadtmuseum.

(recherchiert und geschrieben von Ingrid Reuther)